Praxistipps

Süße Versuchung am Halm

Milchreifes Getreide: Alarm, die Sauen kommen

Milchreife, Weizenschweine, Sommersauen – auf solche Worte reagiert des Jägers Herz mit erhöhter Schlagzahl, das der Jägerin natürlich ebenso. Die einen greifen sich Waffe, Fernglas und Pirschstock, die anderen richten auf dem Jagdpachtkonto vorsorglich eine Reserve ein. In diesem Jahr und ziemlich sicher auch in Zukunft stehen wir Jäger bei der Wildschadenverhütung in noch größerer Verantwortung. Der Krieg in der Ukraine hat die weltweite Versorgung mit Getreide dramatisch verknappt. Da kommt es auch auf Deutschlands Äckern sprichwörtlich auf jede Ähre an.

Ursache für die Aufregung in unserer grünen Zunft sind die Wochen der Milchreife vieler Getreidearten. Gerade Schwarzwild ist versessen auf die Leckerei am Halm und kann dabei erheblich zu Schaden gehen. Auch andere Wildarten erliegen der süßen Versuchung, hinterlassen aber seltener ihre oft kostspieligen ungehobelten Tischmanieren. Die Verteidigung von Weizen-, Mais-, Roggen- und Haferschlägen erfordert vom Jäger allerdings viel Erfahrung, Planung, Revierkenntnis und, wo nötig, auch Zurückhaltung.

In Jägerforen im Netz werden immer wieder Fragen gestellt wie „Was ist Milchreife?“, „Wie erkenne ich sie?“ und „Wann tritt sie auf?“. Weil auch viele Jagdscheinbewerber und Jungjäger unter den Fragestellern sind, hier eine kurze Erklärung:

Milchreife bezeichnet einen Reifezustand des Getreidekorns, das zu dieser Zeit noch oft weiß ist. Das Korn ist sehr weich, gefüllt ist es mit einer weißen, süßen Flüssigkeit. Lässt sich ein einzelnes Korn leicht zerdrücken und tritt dabei die cremeartige Substanz aus, hat die Milchreife eingesetzt. Besonders gern nimmt das Wild in dieser Zeit Weizen, Mais, Roggen und Hafer auf, verschmäht aber auch Gerste trotz der langen Grannen nicht. Der Mais bietet noch ein weiteres Merkmal, die so genannten Narbenfäden. Haben sie sich ins Braune verfärbt und liegen direkt am Kolben an, steht der Mais voll in der Milchreife. Gewissheit über den Zustand bietet zudem der Biss-Test: Was des Jägers Zähne und Geschmacksknospen aushalten, schmeckt auch dem Wild.

Landwirte einbeziehen

Noch vor Beginn der Aussaat haben wir idealerweise gemeinsam mit den Landwirten eine Bejagungsstrategie entwickelt und die neuralgischen Flächen in die Revierkarte eingezeichnet. Dabei wurde angeregt, die erste Saatreihe nicht unmittelbar an der Wald- oder Feldgehölzkante anzulegen, um das Wild beim Ein- und Auswechseln besser ansprechen zu können. Aufgeschlossene Landwirte werden das akzeptieren: Der geringe Ernteverzicht auf schmaler Schneise wiegt nicht so schwer wie der Verlust auf großer Fläche durch nicht oder nur schwer zu bejagende Schwarzkittel. Stellplätze für mobile Ansitzeinrichtungen lassen sich ebenfalls anhand der Revierkarte frühzeitig festlegen, an die sich das Wild dann schon gewöhnen kann. Gerade in großen Schlägen erhöhen ferner Bejagungsschneisen Sicherheit und die Aussicht auf Jagderfolg.

Oft hat der Ansitz auf bestehenden Leitern und Kanzeln in den Monaten zuvor Erkenntnisse über Gewohnheiten des Wildes gebracht, die jetzt hilfreich sein können: Wo hat es seine Einstände; wo sind die bevorzugten Wechsel; wo suchen Sauen gern nach Fraß; muss ich mit kopfstarken Rotten rechnen oder mit vagabundierenden Junggesellentrupps?

In einem wogenden Halmenmeer ein, zwei Sauen an den Tellern und dem hin und wieder über die Ähren erhobenen Wurf auszumachen, ist noch keine Kunst. Die beginnt mit der Geduld, abzuwarten, zu beobachten: Handelt es sich um ein einzelnes Stück, einen Keiler vielleicht; verbirgt sich dort eine ganze Rotte hinter der Leitbache; sind führende Stücke dabei, die sich anhand der Striche ansprechen lassen?

Wir jagen waidgerecht

Unser wichtiger Grundsatz dabei ist in unserem Verständnis von Waidgerechtigkeit verankert: Kann ich ein Stück nicht exakt ansprechen, bleibt der Finger gerade. Nichts ist übler, als am Anschuss oder bei der Nachsuche eine wahrscheinlich führende Bache mit angesogenen Strichen zu finden, deren Frischlinge nun irgendwo zwischen Halmen und Stängeln versteckt kaum eine Chance aufs Überleben haben. Wird von Amts wegen ein gröblicher Verstoß gegen jagdrechtliche Vorschriften festgestellt, kann das sogar die Unzuverlässigkeit begründen und damit den Jagdschein kosten.

Einen mindestens ebenso wichtigen Grundsatz beherzigen wir seit Ausbildungstagen: Kein Schuss ohne sicheren Kugelfang. Gerade hier auf dem platten Land ist es heikel, den günstigen Schusswinkel bis zum gewachsenen Boden hinter dem Stück einzuhalten.

Helfen dem Ansitzjäger auf Weizenschweine vor allem die Schneisen an der Wald-Feld-Kante, um sicher anzusprechen und den waidgerechten Schuss anzubringen, nutzt der Pirschjäger im Idealfall Fahrspuren von Trecker, Sämaschine und Feldspritze. Unabdingbar ist gerade während der Pirsch, auf die Windrichtung zu achten. Vernachlässigen Jägerin und Jäger das, ist die vermeintlich sichere Beute zumeist bereits „verblasen“ worden – von der aufmerksamen Bache nämlich, die unseren Wind bekommen und die Gefolgschaft durch den kurzen Laut zum Rückzug aufgefordert hat.

Umfeld im Auge behalten

Schwarzwild kann bekanntlich weniger gut äugen, ist nach aller Erfahrung trotzdem in der Lage, Bewegungen auch auf größere Entfernung wahrzunehmen. Wer also die Pirsch dem Ansitz vorzieht, muss sich dabei klein machen, gebückt schleichen und die letzten Meter vielleicht gar auf allen Vieren zurücklegen, bevor er sich für den sicheren Schuss einrichtet. Beweist auch hier das Wild die schärferen Sinne, bleibt uns als Trost, wenigstens auf diese Art Wildschaden verhütet zu haben. Den Jagderfolg können wir fürs erste freilich abhaken.

Als faire Partner der Landwirte sollten wir selbstverständlich vermeiden, eine im Getreide stehende Rotte direkt anzupirschen, querfeldein gewissermaßen. Obwohl das verlockend erscheint, weil das Halmenmeer uns genügend Deckung nach allen Seiten böte, dürfen wir keinen größeren Flurschaden anrichten als das Wild selbst, versteht sich.

Gute Revierkenntnisse weiß auch der Ansitzjäger zu nutzen. Ist der Getreideschlag von Feldern mit anderer Frucht umgeben, auf denen eiweißreiches Kleingetier und Gewürm die Reste vorhergehender Ernte „verarbeitet“, liegen ringsum Wiesen und aufgelassene Koppeln, dann inspiziert Schwarzwild gern solche Flächen, bevor es sich zum süßen Dessert daneben aufmacht. Die Wahl des passenden Ansitzplatzes auf Leiter, Kanzel oder auch Sitzstock am Knick kann demnach durchaus erfolgversprechend sein.

Ausrüstung komplett?

Welche Ausrüstung hilft uns neben der vertrauten und eingeschossenen Waffe samt der geeigneten Munition nun bei der Jagd auf Sommersauen und Weizenschweine? Hier eine Auswahl, die sich durch die „Pirsch“ in unserem Online-Shop bestens vervollständigen lässt:

Das richtige Fernglas

Eine leichte Optik ist die erste Wahl für die Pirsch, weil wir wenig Gewicht mit uns herumtragen wollen. Für den Ansitz auf Leiter oder Kanzel am gefährdeten Getreidefeld nutzen wir das lichtstarke Nachtglas dann, wenn der Ansitz noch vor der Morgendämmerung beginnen oder bis in die Abenddämmerung ausgedehnt werden soll.

Tarnkleidung

Die einen schwören auf Camouflage, andere bevorzugen die traditionellen Grün- und Brauntöne. Bei den angekündigten Temperaturen werden Pirschjägerin und -jäger in jedem Fall leichte und luftige Teile wählen, die auch rauere Gangart vertragen.

Pirsch- oder Zielstock

Gibt es in ein-, zwei- und dreibeiniger Ausführung; auf vierbeinigen Modellen lässt sich die Waffe sogar sicher ablegen. Wichtig: Es darf nichts klappern. Im Zweifelsfall vor der Entscheidung das entsprechende Modell „trocken“ testen: Lässt sich die Waffe beim Probeanschlag ruhig im Ziel halten, haben wir die richtige Wahl getroffen.

Sitzstock oder Ansitzstuhl

Wer länger am Knick oder am Waldrand ausharren muss, wird diese Bequemlichkeit schätzen.

Aktive Gehörschützer

Sinnvoll auch bei der Verwendung eines Schalldämpfers; anwechselndes Wild wird frühzeitig wahrgenommen, im Fraß stehende Sauen lassen sich besser orten.

Bergehilfe

Der Strick in der Hosentasche stört beim pirschen nicht und ist am erlegten Stück schnell befestigt. Die Wildwanne nutzen wir erst in der Fahrgasse oder am Feldrand; wir wollen schließlich keine „Rückeschneise“ im Getreide anlegen.

Repellents

Auf der Leiter in der Abendsonne, beim „Verhoffen“ und nach schweißtreibender Pirsch und Bergung schätzt man ein Mittel gegen Stechmücken, Bremsen und andere Blutsauger.

Taschenlampe

Die Lampe sollte wenigstens als „Backup“ im Rucksack verfügbar sein. Notfalls hilft auch die LED vom Handy, schnell den Anschuss zu finden und zu markieren.

Wärmebildgerät

Ist bei der Tagespirsch nur bedingt einsetzbar, denn es braucht zur detaillierten Darstellung den deutlichen Temperaturunterschied zwischen Wildkörper und Umgebung; hilfreich kann es in der Abend- und Morgendämmerung sein und natürlich, auch als Vorsatzgerät, bei völliger Dunkelheit. Wichtig unter Umständen bei der Nachsuche, wenn der Schuss im letzten Büchsenlicht abgegeben wurde.

Die Jagd auf Sommersauen ist spannend, sie gilt als besonders anspruchsvoll, fordernd und manch einem gar als ein Höhepunkt im Jagdjahr. Die Verantwortung für uns Jägerinnen und Jäger besteht vor allem darin, das Wild sauber anzusprechen, zu differenzieren und waidgerecht zu erlegen. Das setzt Erfahrung voraus, Erfahrung im Umgang mit unserer Ausrüstung und Übung auch in Zurückhaltung. Dies gilt sowohl für die Jagd vom Ansitz als auch für die Pirsch. Dann können wir uns nach getaner Arbeit auf ein „Sau tot“, das Halali, Jagd vorbei, das Waidmannsheil unserer Jagdkameradinnen und -kameraden und nicht zuletzt auf das isotonische Kaltgetränk freuen, dessen wichtigste Bestandteile künftiger Braukunst wir soeben erfolgreich verteidigt haben.

wel

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