Aus dem Revier Das neue Jagdjahr

Gedanken zur Bockjagd

Am 1. Mai ist es endlich wieder soweit – die Bockjagd beginnt. Wer bald erfolgreich seinen Maibock erlegt, hat vermutlich viel Sorgfalt in die Vorbereitung gesteckt. Ende März bis Anfang April werden bereits die Hochsitze überprüft; so können Sichtachsen und Wildwechsel freigeschnitten werden. Pirschwege sind zu fegen, Salzlecken zu bestücken und Wildäsungsflächen anzulegen. Ist alles zu Beginn des neuen Jagdjahres fertig, hat das Wild noch genügend Gelegenheit, sich an die Veränderungen zu gewöhnen. Kontrollgänge im Revier verschaffen einen frühzeitigen Überblick (auch wenn der ein oder andere einwenden mag, dass er sein Wild das ganze Jahr über im Blick hat)– sollten jedoch nur in Maßen erfolgen, um nicht für unnötige Unruhe zu sorgen.

Ist die Büchse eingeschossen und die Ausrüstung überprüft, geht es an die Wahl des richtigen Ansitzplatzes.

Hier ist Kreativität gefragt, denn die Lieblingskanzel ist nicht unbedingt Garant für einen guten Anblick. Im Feld bevorzugt Rehwild sonnige Stellen, Wiesen mit saftigem Grün, Bachtäler (und je nach Region nach Süden ausgerichtete Hänge); liegen Rapsfelder im Revier ist dort die Chance auf Anblick besonders hoch. Werden reine Waldreviere bejagt, bieten sich Wildäcker und Waldkanten als Platz der Wahl besonders an. Wer Wildunfälle reduzieren will wählt v.a. Flächen in Straßennähe.

Überblick im Revier hilft, bereits im Vorfeld Rollkanzeln und leichte Ansitzleitern an vom Rehwild bevorzugten Äsungsflächen aufzustellen. Egal, ob gepirscht werden soll, oder ob die Ansitzjagd bevorzugt wird – noch wichtiger als genügend Deckung ist die Windrichtung; wer im Wind sitzt wird seinen Bock nicht zu Gesicht bekommen.

Die Ansitzjagd bringt wenig Unruhe ins Revier und bietet gute Gelegenheit zu ruhigem Ansprechen und sicherem Schuss. Findet der Ansitz auf einer Leiter statt, bietet es sich an diese mit einer Decke zu verhängen, Handschuhe und Hut zur besseren Tarnung sind zu empfehlen. Auch die Pirschjagd bietet gute Möglichkeiten; hierbei ist neben geräuscharmer Kleidung  – die sich für jede Art der Jagdausübung empfiehlt – ein Pirschstock dienlich, um bei Anblick (auch ohne Baum in der Nähe) einen sicheren Schuss anzubringen.

Ob dem Maibock alleine nachgestellt wird, oder die Bejagung als Sammel- oder Gemeinschaftsansitz betrieben wird, ist neben den persönlichen Vorlieben auch vom jeweiligen Revier abhängig. Wird ein Waldrevier bejagt steht wahrscheinlich der zu vermindernde Verbiss im Fokus, bei einem Feldrevier, sollte der Maibock liegen, bevor die Feldfrüchte zu hoch werden. Eine konsequente Rehwildbejagung im Mai und eine Ruhephase bis zur Blattzeit im August haben sich bewährt.

Die richtige Uhrzeit ist eine Glaubensfrage. Während viele die frühen Morgenstunden und das erste Büchsenlicht bevorzugen, schwören andere auf den Abendansitz, mit der Begründung, dass die Böcke Abends ihr Revier kontrollieren und neu markieren und somit aktiver sind als morgens – bei nächtlichem Regen wären dann aber morgens die Chancen am besten, da die Böcke dann auf den Läufen seien, um neu zu markieren. Daneben existiert die Auffassung, dass bei 8-11 Äsungszyklen des Rehwilds auch ein Mittagsansitz passable Möglichkeiten bietet. Eine Untersuchung der Erlegungsbedingungen von 253 Böcken im Mai (eines Jahres) ergab, dass hier die meisten Böcke gegen 21 Uhr gestreckt wurden, während ein etwas kleinerer Pik bei 6 Uhr morgens lag; doch waren auch gegen 11.30 Uhr Jagderfolge zu verzeichnen.

Ist der richtige Platz gefunden und der Bock steht vor ist die nächste Frage  – passt er?

Gilt noch der Klassiker, dass die jungen, schwachen und schlecht veranlagten Böcke erlegen werden sollten und die „Zukunftsböcke“ zu schonen sind? Oder ist die „Hege mit der Büchse“ beim Rehwild überholt?

Ungarn ist eines der Länder, in denen der Versuch unternommen wird mit der Büchse zu hegen und einen gesunden, starken Bockbestand durch klare Abschussregeln zu erhalten. Dort wird die Bockjagd nach folgendem Modell betrieben: Böcke werden von 1-3 klassifiziert (3er Bock = 1-3 jährig, 2er Bock = 4-6 jährig, 1er Bock= 7jährig) und die unteren Klassen nach strengen Kriterien bejagt. Erlegt werden Böcke mit zu eng gestelltem Gehörn und ungerade Böcke, da das Hegeziel „gut geperlt, weit gestellt, mit langen Stangen und Enden“ lautet; dies bietet einheitliche Hegekriterien. Auch in Oberösterreich gab es bis ins letzte Jahr einheitliche Kriterien – hier wurden die Rehböcke nach 1er Klassifizierung über 300 g ab dem 1.8. bejagt, 1b ab dem 1.6. und der 3er Bock war ab dem 1.5. frei. Dies bietet bzw. bot den starken Böcken in beiden Ländern die Möglichkeit, noch durch die Blattzeit zu kommen. Doch bleibt die Frage offen, ob sich hier Erfolge verzeichnen lassen. Klare Abschusskriterien sind ein guter Anhaltspunkt, doch braucht es nicht unbedingt eine Regelung von Staats wegen. In England werden z.B. ganz ohne staatliche Regelung die jungen, schwachen Böcke früh erleget und die starken Böcke (ab einem Alter von ca. 5 Jahren) erst in der Blattzeit gestreckt.

Nun zeigt die Wildtierbiologie deutlich, dass auch vermeintlich schwach erscheinende Böcke gute Anlagen weitergeben können und nicht nur das Erbgut (auch der Ricken), sondern vor allem die soziale Stellung der Ricke für das Kitzwachstum ausschlaggebend ist. Hohe Bestände und viel Konkurrenz fördern die Abwanderungsbereitschaft gut veranlagter Böcke, so dass ein an das jeweilige Revier angepasster Wildbestand in gesunder Anzahl anzustreben ist.

Auch die Revierstruktur selbst spielt eine große Rolle. Hat das Rehwild Ruhe, da das Revier abgelegen liegt, oder sind in einem Feldrevier beispielsweise genug Strukturen vorhanden, die Schutz und Ruhe bieten, bewegt sich das Rehwild im Winter wenig und geht mit einem gewissen Energieüberschuss in den Frühling. Vielfalt im Revier wirkt sich ebenfalls günstig aus, so stehen in Revieren mit Obstwiesen, Böden mit einer großen Fruchtvielfalt und vielen Kräutern (je nach Hege) oftmals starke Böcke.

Ob der starke Rehbock dann zur Blattzeit gestreckt wird, weil er als passend erachtet wird oder noch 1-2 Jahre geschont bleibt, ist letztendlich jedem selbst überlassen. Breit sollte er stehen – und nicht zu weit entfernt – und sicher angesprochen sein. Kommt es zum Erfolg, weil sich der passende Bock zeigt, ist er im Sinne einer vernünftigen Wildbret-Hygiene anschließend schnellstmöglich zu versorgen.

Vor meinem Ansitz stand vor zwei Jahren der absolute „Zukunftsbock“ – doch hatte ich noch immer meinen ersten Jagdherrn und seine Hegekriterien im Sinn, die er in seinem Waldrevier im Odenwald betrieb  – und so habe ich den Bock ziehen lassen in der Hoffnung, dass er nicht zwei Tage später im Nachbarrevier gefallen ist.

Bald ist wieder Mai.

Julia Schaaf

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