Praxistipps

Das Phänomen Blattjagd

Für uns Jägerinnen und Jäger hat eine der spannendsten Jagdzeiten im Jahr begonnen: die Blattzeit mit dem Waidwerk auf den suchenden Rehbock.

Durchforsten wir die Literatur nach Erklärungen zum Phänomen Blattjagd, verwirren uns die Fundstellen eher, denn die Suche gipfelt schnell in der Erkenntnis: Nichts Genaues weiß man nicht.

Passionierte Waidkameraden alter Schule werden sofort widersprechen: Die Brunftzeit des Rehwildes und damit die Blattzeit dauert etwa von Mitte Juli bis Mitte August, Punkt. Was gibt es da noch für Fragen?

In der jagdfachlichen Literatur, in der Erfahrung und Wissenschaft zusammenkommen, wird der Zeitraum der Brunft im Wesentlichen bestätigt, nicht aber die Spanne für eine aussichtsreiche Blattjagd. So hat der Wildbiologe und Jagdpraktiker Andreas David in einem Beitrag für die Jagdzeitschrift Wild und Hund berichtet, dass die eigentliche Blattzeit erst gegen Ende der Brunft beginnt. Das beschreibt auch der Jagdjournalist Gerhard Henrici:

Wenn die Böcke treiben, so sind die ersten zwei bis drei Tage des guten Springens vorbei, die Platzböcke haben ihre Ricken und sind ganz schwer von ihnen wegzulocken.

Gerhard Henrici

Als Grund nennt Andreas David die Beobachtung, dass der Anteil brunftiger Ricken und Schmalrehe in den Territorien der Böcke zurückgeht. Die meisten weiblichen Stücke seien jetzt beschlagen und stünden nicht mehr bei ihren Galanen. Die suchten deshalb außerhalb ihrer Reviere nach noch nicht oder erfolglos beschlagenen brunftigen Ricken, um ihr Erbgut weiterzugeben.

Weniger ist oft mehr

Der Wildbiologe hat auch eine Erklärung dafür, warum – jedenfalls in der Regel – mehr junge als ältere Böcke bei der Blattjagd erlegt werden. Beginne man zu früh mit dem Blatten, stünden die älteren, stärkeren Böcke bei ihren Ricken und reagierten meist nicht auf die lockenden Töne, wohl aber die jungen Freier ohne eigenes Territorium, die „auf die Schnelle“ zum Beschlag zu kommen hoffen.

Spannend kann die Blattjagd also sein, besonders wenn sie gut vorbereitet ist, etwa durch die Kenntnis von Plätz- und Fegestellen, Einständen und Ruheplätzen. Aber auch hier gelte der Grundsatz, dass weniger mehr ist, wie David schreibt. Letztlich würden zahlreiche Rehböcke in der Brunft auch ohne den „sehnsüchtig lockenden“ Instrumentalton erlegt; sie seien fast den ganzen Tag auf den Läufen, die Chancen des Jägers deshalb entsprechend hoch.

Zur Tageszeit hat Gerhard Henrici seine Anmerkungen formuliert. Vom Blatten in der Früh und im letzten Licht am Abend sei wenig zu halten. Bei Sonnenaufgang sei kein größerer Jagderfolg als zu anderen Zeiten zu erwarten, wogegen bei schlechtem Licht die meisten Fehler passierten.

Alles zwischen 8.00 und 20.00 Uhr ist daher als ideal anzusehen. Das Licht ist perfekt, und wenn man früh genug beginnt, so hat man einen langen Jagdtag vor sich.“

Gerhard Henrici

Auch zum Wetter hat der Jagdexperte seine Meinung. Wie immer gelte der Spruch „Wenn der Wind jagt, braucht der Jäger nicht zu jagen“, ansonsten sei aber egal, ob bei Regen, leichtem Nebel, kühlen 17 oder mummeligen 35 Grad angesessen werde: „Die Böcke springen – oder eben nicht.“

Unter allen guten Ratschlägen findet sich eine Binsenweisheit immer wieder: Ricken rufen die Böcke weder von den Bäumen noch von Kanzeln. Will heißen: Am besten blatten Jägerin und Jäger gut getarnt vom Boden aus, allenfalls von einer kurzen Leiter, und achten dabei vor allem auf den sicheren Kugelfang durch gewachsenes Erdreich.

Aufs Blatt gesprungen

Könner beherrschen die Kunst ihrer Altvorderen, den suchenden Rehbock zu locken, noch mit den natürlichen Materialien: mit Grashalm, Lamelle der Birkenrinde, vor allem aber mit einem frischen Blatt der Buche. Daraus leitet sich der Begriff „blatten“ oder „aufs Blatt springen“ ab. Jägerinnen und Jägern stehen heute dafür so genannte „Blatter“ zur Verfügung, Instrumente, mit denen alle Spiel- und Tonvarianten der Ricke und ihres Kitzes imitiert werden können. Sowohl Angstschrei, den die von einem Bock bedrängte Ricke ausstößt, als auch ihr Fiepen und das des Kitzes, das nach der Ricke ruft, signalisieren dem Platzbock, in seinem Territorium nach dem Rechten zu sehen.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Form, Funktion und Material der Blatter stetig entwickelt. Eines der ersten und bekanntesten mechanischen Lockinstrumente dürfte der Buttolo-Blatter sein, ein Gummiball mit Klangmembran und variablen Öffnungen. Es folgten Instrumente aus Holz, aus Horn und mittlerweile sogar aus Kunststoff, die fast alle nach einem Prinzip funktionieren: Durch Hineinblasen wird ein Membranblättchen in Schwingung versetzt; Stärke des Luftstroms, verstellbare Membran oder Knebel ermöglichen zusammen mit der Hand als Dämpfer die Modulierungen des Tons.

Wel

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