Aus dem Revier Pauls Niederwildtestrevier

Der Maibock

starker rehbock steht auf wildacker am waldrand

Der Maibock, und damit meine ich nicht das Bier, bietet jedes Jahr reichlich Diskussionsstoff. In einigen Bundesländern dürfen Böcke jetzt schon ab dem ersten April bejagt werden – das sorgt in den (a)sozialen Netzwerken für richtig Zündstoff. Da provozieren „Waldschützer“ mit dicken Böcken im Bast, was die Gralshüter des Zukunftsbocken regelmäßig zu verbalen Entgleisungen veranlasst. Feldjäger sehen die Auslöschung des Rehwildes durch die Forstpartie unmittelbar bevorstehen. Nahezu jedes Bild eines erlegten Maibockes löst heftige Diskussionen über Alter, Qualität, Treffersitz, Brauchtum oder auch nur über die Qualität des Fotos aus. Dabei ist doch eins wissenschaftlich absolut belegt: Es spielt wildbiologisch überhaupt keine Rolle wann, welcher Bock erlegt wird.

Ob ein Maibock „richtig“ oder „falsch“ ist, muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Sicherlich spielen die Gegebenheiten im Revier eine wesentliche Rolle. Wer in einem Waldrevier jagt, in dem der Waldumbau vorangetrieben werden muss, der muss seinen jagdlichen Schwerpunkt auf die Reduzierung des Wildverbisses setzen. Das bedeutet keineswegs, dass immer und überall auf das Rehwild Dampf gemacht werden muss. Schwerpunktbejagung ist in diesem Fall das Mittel der Wahl. Der Bock, der in einer frisch gepflanzten Kulturfläche oder an Weinreben am Fegen ist, ist immer richtig – ungesehen des Alters oder des Gehörns.

Auf der Wiese am Erlenbruch sieht die Sache hingegen komplett anders aus, dort entsteht kein ernst zu nehmender Schaden und auch ein Waldumbau ist nicht erforderlich. Da kann man seinen persönlichen Vorstellungen freien Lauf lassen.

Ich habe einige Jahre im Forst gejagt, Wildschadensverhütung und Bestandsreduzierung waren aus forstwirtschaftlicher und ökologischer Sicht dringend erforderlich. Was dort auf Kultur- oder Naturverjüngungsflächen breit stand und Jagdzeit hatte, wurde – sofern ein sicherer Schuss möglich war –, erlegt. Das Rehwild hat darunter nicht gelitten, im Gegenteil, die Wildbrettgewichte und die Gehörnqualität ging nach oben.

Ob ein Maibock „richtig“ oder „falsch“ ist, muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden.

Jetzt jage ich in einem reinen Feldrevier, weit ab von jeglichen Forstkulturen. Hier ist meine Herangehensweise eine völlig andere. Das Grundziel ist eine zuwachsorientierte Bejagung bei möglichst geringer Störung. Das Spektiv ist mein ständiger Begleiter, aus weiter Entfernung beobachte ich die zum Großteil tagaktiven Rehe in den Wiesen und Feldern. Ich beginne erst am ersten Mai mit der Bejagung von schwachen Jährlingen und Schmalrehen, obwohl die Jagdzeit bereits am ersten April beginnt. Zwei Wochen gebe ich mir Zeit, um mein Ziel (ein Drittel Jährlinge und Schmalrehe) zu erreichen. Danach ist Ruhe bis zur Blattzeit und dann versuche ich „meinen“ Bock, den ich bis dahin meist schon mehrfach hätte erlegen können, heranzublatten. Das ergibt wildbiologisch zwar keinen Sinn, muss es aber auch nicht. Es geht bei der Rehwildbejagung bei mir im Feldrevier um die Gewinnung von Wildbret und Freude an der Jagd. Und da ich einen Faible für abnorme Böcke habe, schmeiße ich alle mir selbst auferlegten Regeln über Bord, sobald ein eben solcher vor mir auftaucht. Die „Regeln“ gelten auch für meine Begehungsscheininhaber, aber immer mit der Ausnahme, wenn ein Bock kommt, der richtig Freude macht, dann ist der immer richtig. Nur eins ist festgelegt: Jeder hat dieselbe Anzahl von Stücken frei und jeder nur einen mehrjährigen Bock. Deshalb habe ich in diesem Jahr ab jetzt bereits Jagdruhe auf Rehwild, bis es Mitte Oktober mit dem weiblichen Rehwild wieder los geht. Ich freue mich aber jetzt schon darauf, meine Begeher in der Blattzeit auf wirklich reife, starke Böcke zu führen. Wir Jäger würden gerade bei den Böcken gut daran tun, toleranter gegenüber den Vorstellungen anderer Jäger zu sein. Es gibt keine falschen Böcke, sondern nur Böcke, die man aufgrund seiner persönlichen Empfindungen nicht geschossen hätte. Toleranz und Offenheit sind Dinge, die wir als Jäger von der Bevölkerung erwarten, aber meist nicht mal unserem Nachbarpächter gegenüber leben. In diesem Sinne, Waidmannsheil allen Fleischjägern, Trophäenzüchtern, Waldschützern und Lodenjockeln.

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