Aus dem Revier Pauls Niederwildtestrevier

Leben retten, Leben nehmen – Mein Fazit Wiesemahd 2021

Der Juni ist die Mähzeit, in der die meisten Grünlandflächen gemäht werden. Die Landwirte müssen jetzt das Futter für die Milchkühe und Fleischrinder einfahren. Kurz vor der Blüte ist der optimale Mähzeitpunkt, dann hat das Gras den höchsten Energie- und Eiweißgehalt. Hochwertige Silage, so genanntes Grundfutter, ist in der Viehhaltung entscheidend, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Alles was an Energie und Eiweiß im Grundfutter fehlt, muss über teures Kraftfutter ausgeglichen werden. Dem ist aber Grenzen gesetzt, denn der Pansen der Rinder kann – wie der unseres wiederkäuenden Schalenwildes auch – keine hohe Mengen an Kraftfutter verdauen. Das bedeutet: Die Landwirte müssen mitten in der Brut- und Setzzeit ihre Wiesen mähen. Rein rechtlich sind die Landwirte nach dem Tierschutzgesetz verpflichtet, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, die den Mähtod von in ihren Flächen lebenden Tieren zu verhindern. Insbesondere Rehkitze sind gefährdet, da ihnen in den ersten Lebenswochen der Fluchtreflex fehlt. Sehr viele Jäger haben sich daher zur Aufgabe gemacht, die zu mähenden Flächen abzusuchen und gegebenenfalls am Tag vor der Mahd Scheuchen aufzustellen. Auch ich habe in meinem Revier dieses Jahr wieder sehr viel Zeit und Energie in diese Aufgabe gesteckt. Am Tag vor der Mahd bin ich mit meinem Deutsch Drahthaar durch die Flächen gelaufen und habe Scheuchen aufgestellt. Morgens um vier Uhr hat mich Maz Rashied, der extra eine Anreise von 100 Kilometer auf sich genommen hat, mit seiner Drohne mit Wärmebildkamera unterstützt. Insgesamt konnten wir 24 Kitze finden, von denen einige sicher dem Mähwerk zum Opfer gefallen wären.

Jagd ist eben mehr als Beute machen. Jagd ist der Wille, durch das eigene Handeln, ein Teil der Natur zu sein.

Doch warum fühlen wir Jäger uns dazu verpflichtet, die Kitze während der Mähzeit vor dem Tod zu retten? Von Jagdgegnern wird uns oft vorgeworfen, wir würden dies nur tun, um im Herbst mehr Stücke schießen zu können. Ist das tatsächlich so? Sicherlich kann jedes Kitz, das die Mahd überlebt, im Herbst eventuell erlegt werden. Man könnte natürlich argumentieren, tot ist tot und dem Kitz ist es doch egal, wann es stirbt. Rein sachlich betrachtet stimmt diese Aussage, doch es steckt weitaus mehr dahinter. Es geht nämlich nicht um die Frage, ob ein Kitz getötet wird, sondern darum wie und warum. Das sieht auch der Gesetzgeber so. Es ist nach Tierschutzgesetz nämlich verboten, ein Tier ohne vernünftigen Grund zu töten oder ihm unnötige Qualen zuzufügen. Gerade die Qualen, die für das Tier entstehen, wenn es von den Messern des Mähwerkes erfasst und nicht direkt getötet wird, sind unglaublich grauenhaft. Auch der unnütze Tod der Lebewesen stellt besonders, nicht nur für Jäger, ein moralisches Problem dar. Als Jäger sehe ich mich in der Pflicht, Verantwortung für „mein“ Wild zu übernehmen. Dieses Verantwortungsgefühl zeigt sich nicht nur darin, dass ich die Flächen vor der Mahd absuche, es spiegelt sich auch in der Art des Jagens wider.

Nachhaltig zu nutzen, Ausgleich zu schaffen und die Vielfallt in der Kulturlandschaft zu erhalten. Von daher ist es für mich kein Widerspruch, im Juni das Kitz während der Mähzeit vor dem sicheren Tod zu bewahren und es dann eventuell im Oktober oder November zu erlegen und als hochwertige, natürliche und nachhaltige Nahrung zu nutzen.

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