Aus dem Revier Pauls Niederwildtestrevier

Graue in Grau

Es ist grau draußen: Nebel, Nieselregen und kalter Wind aus Norden. An solchen Tagen bleibt man am besten vor dem Kamin, es sei denn, man wird wie ich von den Rufen der Graugänse gelockt. Jeden Herbst warte ich sehnsüchtig auf das Erscheinen der Gänse in meinem Revier um auf Gänsejagd zu gehen. Ich habe keine Schlafgewässer, bei mir sammeln sich die Grauen auf den Äckern, um zu äsen. Unregelmäßig sind sie mal ein paar Tage vor Ort, ziehen dann weiter oder suchen sich andere Äsungsflächen.

Wer Gänse unter solchen Bedingungen bejagen will, der kommt an der Lockjagd nicht vorbei. Die Ausrüstung ist nicht ganz günstig, doch wer mit der Gänsejagd beginnen will, der braucht erst einmal nur eine Gänseliege und ein, zwei Dutzend Lockgänse. Vollkörper haben dabei die beste Lockwirkung, Halbschalen sind leichter zu transportieren und kosten etwa die Hälfte. 2/3 Vollkörper zu 1/3 Halbschalen halte ich für ein optimales Verhältnis. Doch viel wichtiger als die Anzahl und Art der Lockvögel ist die optimale Vorbereitung der Gänsejagd.

Um erfolgreich zu jagen, muss man exakt wissen, wo die Gänse morgens als Erstes auf dem Acker einfallen. Es nützt nichts, am Tag vor der Jagd zu schauen, auf welchen Acker die Grauen sitzen, man muss schon beobachten, wann, von wo und wie die Graugänse auf der Fläche einfallen. Genau an diesem Punkt muss man am nächsten Tag mit Gänseliege und Lockbild positioniert sein.

Gänse äugen hervorragend, deshalb ist Tarnung das A und O. Die Liegen sind zwar meist aus Tarnstoff, müssen aber zusätzlich mit natürlichem Material verblendet werden. Je besser man die Gänseliege in die Umgebung einpasst, desto hoher ist die Wahrscheinlichkeit, von den Gänsen nicht entdeckt zu werden. Die Liegen werden im Winkel von ungefähr 30 Grad zur erwarteten Einfallrichtung ausgerichtet. Da Gänse immer gegen den Wind landen, sollte der Wind möglichst von hinten kommen. Die Lockvögel werden dann in U-Form mit einem Abstand von drei bis fünf Meter zueinander  aufgestellt. Ein paar Attrappen platziere ich immer direkt um die Gänseliegen, das erhöht die Tarnung zusätzlich. Für den Hund, den man bei einer Jagd auf Federwild immer dabeihaben sollte, gibt es extra „Dogblinds“, die es einem ermöglichen, den Hund direkt neben der Liege unauffällig zu positionieren.

Als Waffe ist eine Selbstladeflinte für die Gänsejagd optimal. Drei Schuss und die Möglichkeit schnell im Liegen nachzuladen, sind ein riesiger Vorteil gegenüber Bock- und Doppelflinten. Wer damit zurechtkommt, für den ist auch eine Vorderschaftrepetierflinte sehr gut geeignet. Als Munition kommt nur Stahlschrot in Fragen. 12/76er mit 3,2 bis 3,7 Millimeter halte ich für optimal. Mehr braucht es bei der Lockjagd auf Gänse nicht, da meist auf Entfernungen unter 35 m geschossen wird. Ich verwende für die Gänsejagd in meiner Benelli Vinci normalerweise 3/4 Chokes.

Das Großartige an der Lockjagd auf Gänse ist, dass man mit mehreren Freunden gemeinsam jagen kann. Vier bis fünf Liegen nebeneinander sind kein Problem. Wenn jeder eine Liege und ein Dutzend Lockvögel beisteuert, hat man schnell ein ordentliches Lockbild zusammen, teilt das Erlebnis und kann anschließend die Beute gemeinsam versorgen. Aus dem Wildbret der Gänse lassen sich köstliche Dinge zaubern. Die Brüste sind geräuchert ein Traum, schmecken aber auch als Schnitzel, Gyros oder Gulasch hervorragend. Aus den Keulen lässt sich super Hack für Burger machen – Tipp: Zehn Prozent geräucherten Bauchspeck mit durch den Fleischwolf geben.

Wer einmal in einer Gänseliege lag und die Spannung erlebt hat, wenn die Grauen aus weiter Entfernung auf einen zuziehen und dann direkt vor einem landen, der wird – wie ich – mit Sicherheit jeden Herbst darauf warten, die ersten Rufe zu hören und den ziehenden Gänsen am Horizont nachschauen.

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